so titelten „NZZ am Sonntag“ und der „Blick“ mit dieser angeblichen Hiobsbotschaft von sinkender Belastbarkeit und sinkender Arbeitsmoral der Beschäftigten.
Was eigentlich als Hiobsbotschaft von NZZ am Sonntag und dem Blick gedacht war, sind bei genauerem Hinschauen Good news & very good news:
Steigende Absenzzahlen sind immer mit guter Konjunktur verbunden. Zum einen sind volle Auf-tragsbücher auch mit einer erhöhten Arbeitsbelastung der Beschäftigten verbunden, die des-halb auch eher einmal krank werden. Zum andern kündigen Arbeitgeber kranke Mitarbeitenden auch nicht sofort nach Ablauf der Kündigungsschutzzeit, weil es schwieriger ist, Vakanzen zu besetzen, und weil die Arbeitgeber bei guter Auftragslage hoffen, dass langzeitkranke Mitarbei-tende wieder an ihren bisherigen Arbeitsplatz zurückkehren.
Dass die steigenden Absenzzahlen durch psychische Erkrankungen verursacht werden, ist eine Nachricht, die noch hoffnungsfroher macht:
bisher wurden seelische Erkrankungen weitgehend tabuisiert oder hinter einer körperorientier-ten Diagnose wie Herzprobleme oder Rückenschmerzen versteckt. Nun endlich trauen sich behandelnde Ärzte und Patientinnen, seelische Befindlichkeitsstörungen zu thematisieren und auch zu diagnostizieren. Richtige Diagnosen ebnen darüber hinaus den Weg zu den wirksameren (Psycho-) Therapien bei psychosomatischen Störungen und vermeiden die teure und unnötige Fehlbehandlung und Chronifizierung seelischer Leiden. Das entlastet wiederum die Krankenversicherungen.
Und noch eine gute Nachricht:
seelische Befindensstörungen sind ein frühes Warnzeichen für körperliche Erkrankungen wie Herz-/ Kreislauf- oder Krebs. Werden also diese negativen Stimmungen oder starke Stimmungsschwankungen in ihrer Entstehungszeit ernst genommen, können wirklich schwere kör-perliche Erkrankungen verhindert oder in ihrer Schwere reduziert werden
… auch wenn für viele Arbeitgeber „psychische Erkrankungen“ immer noch ein anderes Wort sind für bezahlte Ferien, so sind seelische Befindlichkeitsstörungen ein wertvoller und eigentlich unbezahlbarer Hinweis auf Sand im betrieblichen Gefüge.
Gebetsmühlenartig wird auch immer der Satz wiederholt „Je länger eine Person am Arbeitsplatz fehlt, desto unwahrscheinlicher wird die Rückkehr“. Dieser Zusammenhang stimmt für Diagnosen wie unspezifische Rückenschmerzen, für die sich eine schnelle Rückkehr innerhalb von ein bis zwei Monaten in den (Arbeits-) Alltag sehr bewährt hat – statt der früher verordneten Schonung und Bettruhe, die die Schmer-zen verstärkt hat. Aber stimmt das auch für andere Erkrankungen? – Langzeitstudien und die Reaktivierungsquoten in den Pensionskassen zeigen ein anderes Bild: offensichtlich gibt es viele Beschäftigte, die auch nach ein bis zwei Jahren Krankschreiben in den Arbeitsprozess zurückkehren, z.B. nach einer Anpassungsstörung oder einer Erschöpfungsdepression.
Auch die Unfallversicherungen nutzen diesen Umstand gewinnbringend, indem nach einem Unfall 3 bis 5 Jahren abwarten und erst dann eine Unfallrente gutsprechen, basierend auf der Erfahrung, dass es meist auch noch nach mehr als einem Jahr nach einem Unfall zu deutlichen Verbesserungen der Arbeitsfähigkeit kommt.
In den letzten Jahren wurden auch einige hilfreiche Instrumente entwickelt, um den richtigen Zeitpunkt für die Rückkehr in den Arbeitsprozess zu erkennen. Der finnische Arbeitsmediziner Juha Illmarinen hat heraus gefunden, dass die Einschätzung der eigenen Arbeitsfähigkeit, der sog. WAI Work ability Index, die Rückkehr in den Arbeitsprozess sehr viel besser vorher sagen kann als medizinische Diagnosen oder Begutachtungen. Ganz neu entwickelt wurde deshalb von Compasso auch das REP Resourcenorientierte Eingliederungsprofil, das die Aufmerksamkeit von krankschreibenden Ärz-ten und ihren Patientinnen auf das lenkt, was diese noch oder wieder können. So muss eine gute Konjunkturlage nicht zwangsläufig mit erhöhten Absenzen einher gehen, sondern könnte den optimalen Einsatz der Mitarbeitenden im betrieblichen Leistungsprozess erleichtern.